Aktuelle Zins­entwick­lung

Quelle: Detlev Landmesser, tagesschau.de

Wie hoch steigen die Zinsen noch?

Wie weit wird die Europäische Zentralbank im Kampf gegen die Inflation noch gehen? Auf jeden Fall wollen die Währungshüter ein Zinsniveau in Kauf nehmen, das auch die Konjunktur beeinträchtigt.

Sie hatte lange gezögert, doch im Sommer nahm die Europäische Zentralbank den Kampf gegen die grassierende Inflation in der Eurozone auf. Seit Juli haben die Währungshüter ihren Leitzins in drei Schritten von einem negativen Niveau ausgehend um insgesamt 2,0 Prozentpunkte erhöht. Der Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank bekommen, liegt mittlerweile bei 1,5 Prozent. Dass er weiter steigen muss, steht außer Zweifel.

Wichtiger als die an den Finanzmärkten diskutierte Frage, ob der nächste Zinsschritt am 15. Dezember zum dritten Mal in Folge bei 0,75 Prozentpunkten oder doch „nur“ bei 0,5 Punkten liegen wird, ist das Zielniveau, auf das der aktuelle Zyklus hinausläuft. Nicht nur die Konjunkturaussichten werden davon wesentlich beeinflusst; der Leitzins ist auch eine wichtige Grundlage für die Rendite verzinslicher Anlagen und damit die langfristige Vermögensbildung.

Während klar ist, dass dieses Zielniveau vor allem von der weiteren Inflationsentwicklung bestimmt werden wird, kristallisieren sich doch erste Anhaltspunkte für den weiteren Zinskurs heraus. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat zuletzt wieder betont, dass der geldpolitische Rat seine Entscheidungen von der Datenlage abhängig mache und vonSitzung zu Sitzung entscheide.

Neutrales Zinsniveau ist nicht das Ende

Angesichts der hartnäckig hohen Teuerung ist aber zunehmend die Entschlossenheit der eher als zurückhaltend geltenden Euro-Geldpolitiker zu erkennen, mit ihren Zinsschritten über eine wesentliche Schmerzgrenze hinauszugehen. Diese Schmerzgrenze trägt den Namen „neutrales Zinsniveau“, also ein Niveau, das die Wirtschaft nicht mehr anschiebt. Ökonomen sehen dieses Niveau derzeit bei einem Einlagensatz von zwei Prozent erreicht. Darüber beginnt die Zone eines „restriktiven Zinsniveaus“, das die ökonomische Aktivität bremst.

Im Kampf gegen die Inflation werde die EZB wahrscheinlich in diesen Bereich vorstoßen, erklärte Lagarde Mitte des Monats auf dem European Banking Congress in Frankfurt. „Wir gehen davon aus, dass wir die Zinsen weiter anheben – und die Konjunkturförderung zu entziehen, ist womöglich nicht ausreichend,“ so die EZB-Chefin. Es wäre falsch, aus Angst vor einem Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten, ergänzte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel.

Noch ein weiter Weg

Geraten die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte – also der am Wirtschaftsleben teilnehmenden Akteure – aus dem Ruder, drohen eine beschleunigte Geldentwertung und ein Vertrauensverlust in die eigene Währung. Im geldpolitischen Jargon lautet daher ein wesentliches Ziel der Währungshüter, die langfristigen Inflationserwartungen „zu verankern“. Noch ferner erscheint das „mittelfristige“ EZB-Ziel einer Inflationsrate von zwei Prozent.

Das wird nur mit weiteren entschlossenen Maßnahmen zu erreichen sein, flankiert von dem bereits beschlossenen Abschmelzen der üppigen Anleihekäufe ab dem kommenden Jahr. Wohin die Zinsanhebungen letztlich führen werden, ist unter Experten stark umstritten. Laut der letzten Umfrage der EZB im Oktober unter geldpolitischen Analysten („Survey of Monetary Analysts“) gingen die Befragten von einem Leitzinsniveau von 2,25 bis 3,00 Prozent im kommenden Jahr aus. Das könnte angesichts der großen Herausforderungen eine zu vorsichtige Erwartung sein.

Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/geldpolitik-ezb-zinsniveau-ausblick-101.html

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